Der Tod aus der Teekiste
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"Viele Autoren können schreiben, aber nur wenige können originell schreiben. Wir präsentieren Ihnen die Stecknadeln aus dem Heuhaufen."
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Juni 2004
Die Möwe Artha
von Jan Müller

nach einer Fabel Guru Devs von Jan Müller



Artha ritt auf dem salzigen Wind, sog den Duft von Tang und Fisch, tanzte im Atem der Brandung und bewachte voll Sorge und Stolz die winzige Kuhle tief unten im Sand, aus der etwas Weißes, Rundes in der Sonne blinkte, etwas, dem ihr ganzes Herz gehörte. Dort unten brütete die heiße Sonne drei Möwenküken aus. Artha sollte Mutter werden! Tag für Tag fieberte sie, wann die Eierschalen brechen und die zarten Küken schlüpfen würden!
Das Meer umspülte den Strand, die Brandung schäumte, eine Flutwelle wagte sich höher und höher ins Trockene, überrollte die Kuhle und spülte die Eier ins Meer.
“Nein!” schrie Artha, schoß auf die Brandung zu und bat: “Meer, gib meine Brut wieder her!”
Aber ihre Stimme verlor sich im Tosen der Brandung.
Artha spürte, wie ein lähmendes Gefühl der Ohnmacht auf sie zu kroch, und stemmte sich mit aller Kraft dagegen. “Meer”, schrie sie gegen die Brandung, “wenn du mir meine Eier nicht wiedergibst, dann trockne ich dich aus!”
Wer je dem Atem des Meeres lauschte, wer je sein Gurgeln und Keimen sah, wer je erlebte, wie es sich stürmisch aufbäumt und scheu in sich selbst zurückzieht, wer je auf hoher See die Allmacht der Wogen spürte, der kennt des Meeres Mutwille und weiß, dass nichts beseelter ist als das Meer. Es musste die Stimme gehört haben. Aber es stellte sich taub. Das Meer, so groß, so gewaltig, wiegte sich lächelnd unter der brütenden Sonne.
Artha begann, mit dem Schnabel Wasser zu schöpfen und an den Strand zu spucken. Andere Möwen sahen, wie sie einen Schluck nach dem anderen aus dem Meer holte und in den Sand spuckte. So etwas tat keine Möwe! “Was machst du da?” fragten sie.
“Ich trockne das Meer aus.”
Die Möwen sahen sich an, sahen die kleine Möwe, sahen das große Meer. “Du trocknest das Meer aus?”
“Ja.” Artha hatte keine Zeit zum Erklären. Sie musste sich eilen. Sie musste das Meer austrocknen, bevor ihre Küken erfroren.
Manyu, der Möwenvater, kam herbei, sah Artha kopflos hin und her fliegen und erschrak. “Sie ist verrückt geworden”, erklärten ihm die anderen. “Größenwahnsinnig. Sie glaubt, sie kann das ganze Meer austrocknen.”
Manyu flog zu Artha, die sich nicht beirren ließ, und rief: “Artha, sei doch vernünftig. Was ist nur in dich gefahren?”
“Das Meer hat unsre Eier gestohlen! Jetzt haben wir keine Kinder. Alles vorbei. Bleiben sie länger im Wasser, sind sie erfroren.”
Manyu erschrak. “Unsre Eier? Wo sind sie?”
“Im Meer. Ich habe das Meer gebeten, sie zurückzugeben, aber es hört nicht auf mich.”
“He Meer!” rief Manyu gegen den Wind. “Gib unsre Eier zurück!”
Aber das Meer, das ewig atmende Meer, stellte sich taub.
“Also gut!” rief Manyu. “Wie du willst. Ich gebe dir Bedenkzeit, bis die Sonne über dieser Palme steht. Wenn du bis dahin die Eier nicht hergibst, trocknen wir dich aus.”
Die Sonne zog über die Palme. Die Eier blieben im Meer.
“Die Zeit ist um”, sprach Manyu. “Jetzt hat deine Stunde geschlagen!”
Er flog neben Artha zwischen Wasser und Sand hin und her, nahm Schnabel für Schnabel, Schluck für Schluck, und spuckte das Meer in den Sand. Sie gönnten sich keine Pause, sie taten nichts anderes mehr. Sie hatten nur eines im Sinn: Das Meer austrocknen! Tropfen für Tropfen. Kein Wasser darf darin bleiben.
Die anderen Möwen stutzten. Wurde auch Manyu verrückt? “Was macht ihr da?”
“Wir trocknen das Meer aus.”
“Das weite, unendliche Meer!?”
“Es hat unsre Eier gestohlen. Wie sollen wir Junge ausbrüten, wenn wir die Eier nicht haben?”
Das war also der Grund! Die Möwen fühlten Mitleid, wurden wütend auf das Meer und halfen mit. Bald wimmelte der Strand von Möwen, die Wasser aus dem Meer in den Sand spuckten.
Da erschien am Himmel ein Vogel mit mächtigen Schwingen und warf seinen Schatten aufs Meer.
Manyu erblickte ihn, ließ einen Siegesschrei erschallen und sprach zum Meer: “Jetzt bist du verloren! Da kommt Garuda, unser König, der mächtige Vogelkönig, der über alle Vögel der Welt gebeut. Wenn er allen befielt zu helfen, machen wir dich alle.”
Da rollte eine Welle an den Strand, die Brandung schäumte, eine Flutwelle wagte sich höher und höher ins Trockene, überrollte die Kuhle und legte die Eier zurück.

Tipps zur Aufführung als Kinderschattenspiel:
Als Schattenwand werden zwei zusammengenähte oder -geheftete weiße Laken so aufgehängt, dass davor ein großer Zuschauerraum und dahinter ein kleiner Bühnenraum für Schattenspieler und Lichtquelle entstehen. Als Lichtquelle dient am besten ein Tageslichtprojektor. Die Kinder basteln sich Pappschnäbel, die mit Gummibändern über Nase und Kinnlade gehalten werden, und deuten mit wehendem Tuch über den Armen die Flügel der Möwen an. Wenn Artha am Anfang über dem Strand fliegt, steht das Kind neben der Schattenwand auf einem Stuhl und beugt sich ins Lichtfeld, so dass man nur den Kopf und die Arme sieht.
Das Bühnenbild wird aus Papier und farbig bemalter Klarsichtfolie hergestellt und vom Tageslichtprojektor an die Schattenwand geworfen. Himmel, Sonne, Palmenstrand und Meer werden mit farbigen Filzstiften oder Glasmalfarbe auf die Folie gemalt. Der Vordergrund des Palmenstrands mit der Kuhle für die Eier wird aus Papier oder Pappe ausgeschnitten und bildet einen schwarzen Schattenriss am Boden. Er wird auf den Tageslichtprojektor geheftet, und aus der Kuhle ragt ein Papierstreifen, der am oberen Rand wie drei Eier geschnitten ist. Wenn das Meer die Eier hin und her spült, wird der Papierstreifen bewegt.
Das Wogen des Meeres wird auf dem Tageslichtprojektor mit blauer Klarsichtfolie oder mit einem Klarsichtbeutel dargestellt, der leicht mit gefärbtem, schäumendem Wasser gefüllt ist. Etwas Spülmittel im Wasser bringt es zum Schäumen. Der Vogelkönig wird als Handschatten oder als ausgeschnittene Papiersilhouette auf dem Projektor bewegt. Am Ende, wenn die Eier wieder da sind, vollführen die Möwen einen Freudentanz. Die Geschichte kann von einem Erzähler geschildert oder vorgelesen werden oder von den Kindern frei improvisiert werden. Das Rollen der Flutwelle, die die Eier stielt und wiederbringt, sollte von einem Musiker oder einer Tonaufnahme untermalt werden.



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